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Grafiken von Paul Wessler
gesprochen von Jürgen Gast

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Der Konvent im Jahr 1785
 

1785
Sie waren zu neunt. Sobald die Novizin Frederike von Geismar ihr Gelübde ablegen würde, wären sie 10. Dem Konvent der Zisterzienserinnen in Bersenbrück ging es unter der Leitung von Äbtissin von Bothmer in jeder Hinsicht gut. Die Nonnen waren erst kürzlich in einen Neubau gezogen, einen schönen, stattlichen Bau. Man hatte dafür Schulden aufgenommen. Aber die Grundherrschaft war einträglich. Dieses Kloster war das reichste im Fürstbistum. Die Äbtissin brauchte sich um die Zukunft nicht zu sorgen. Nach dem Tod des bisherigen Beichtvaters Ignatz Münnich war im November ein neuer Beichtvater eingetroffen. Pater Peter von Hatzfeld war wie sein Vorgänger ein Abt des Klosters Marienfelde. Er passte zu ihnen und lebte sich mühelos ein. Er führte ein Notizbuch, in das er gewissenhaft die Ereignisse dieser Tage eintrug.


 
Hinter vorgehaltener Hand
 

In der Mitte des folgenden Jahres ging das Gerücht umher, dass das Kloster Bersenbrück geschlossen werden würde. Den Beichtvater beunruhigte, was die Leute sich hinter vorgehaltener Hand erzählten. Selbst in der Lippstädter Zeitung war von der Aufhebung zu lesen gewesen.

In den vergangenen Jahren waren mehr und mehr Klöster geschlossen worden, um mit ihren Einkünften "modernere" Einrichtungen zu finanzieren. Moderner hieß: der diesseitigen Welt zugewandter. Erst 1773 war in Münster - gegen den entschiedenen Willen der Äbtissin - das Kloster Überwasser aufgehoben worden, um mit dem Geld ein Priesterseminar und eine Universität zu gründen.

Daher betrachtete Pater von Hatzfeld es als seine Pflicht, Nachforschungen anzustellen. Die befragten Urheber der Gerüchte bezeichneten, so schrieb er in sein Tagebuch, alles als "erdichtet" und "bloße Rederei".

Pater von Hatzfeld machte sich auf den Weg nach Osnabrück. Er wollte sich an Ort und Stelle erkundigen, ob Schließungspläne hinsichtlich des Klosters Bersenbrück beständen. Er wollte wissen, so formulierte er, "ob wirklich Feuer unter der Asche verborgen" war. In Osnabrück beruhigte man ihn zunächst. Doch ein Freund nahm ihn zur Seite und versicherte ihm glaubhaft und eindringlich, dass in der Tat gewisse Osnabrücker obrigkeitliche Stellen die Aufhebung des Klosters anstrebten.

Wieder zurück in Bersenbrück, wandte Pater von Hatzfeld sich sofort an seinen Abt in Marienfelde mit der Frage, was nun zu tun sei. Dieser schrieb aufmunternd zurück, dass jenes überall verbreitete Gerücht wohl falsch sei. Der Konvent solle unbesorgt sein, denn es sei ja auch schon über andere Klöster viel leeres Gerede gemacht worden.


 
Kommissionsbesuch
 

Am 8. Oktober erreichte die Äbtissin die Nachricht aus der zwei Wegstunden entfernten Kommende Lage, dass am folgenden Morgen eine bischöfliche Kommission ihr Kloster besuchen werde. Der Grund ihrer Visitation sei folgender: Man habe gehört, dass das Kloster einen beträchtlichen Schuldenstand habe. Die Kurfürstliche Durchlaucht möchte sicher sein, dass die Wirtschaft gut geführt werde. Auch möchte er sich vergewissern, dass die klösterliche Disziplin in dieser Situation nicht leide. Im übrigen sei es nicht notwendig, die Mitschwestern oder Hausdiener über den Grund des Besuchs zu informieren. Diese würden sich nur allzu oft ein falsches Urteil bilden, daher solle ihnen erzählt werden, es handle sich um einen Routinebesuch.

Pater von Hatzfeld notierte, dass im gleichen Augenblick eine drückende Stimmung das ganze Haus befiel. Die Äbtissin war von Furcht wie gelähmt. Flehentlich bat sie ihn um Hilfe.
Bedeutete dieser Besuch, dass das Kloster geschlossen werden würde? Gab es eine Möglichkeit, diese Visitation noch abzuwenden? Der Beichtvater empfahl, die Kommission zu empfangen, aber darauf zu bestehen, dass es bei einem freundschaftlichen Besuch bleibe. Da dieses Kloster ein Ordensprivileg besitze, so argumentierte er, sei eine Überprüfung nur mit Zustimmung des Ordens, also mit Zustimmung des Abtes in Marienfelde, statthaft. Die Kommission habe daher von einer Überprüfung abzusehen. Mit dieser Nachricht wurde der Bote entlassen. Die Äbtissin schickte dem Boten einige Minuten später einen Klosterknecht nach, um die Kommissare für den folgenden Tag zum Frühstück einzuladen.

Am 9. Oktober erschienen die Gäste aus Osnabrück pünktlich gegen 9 Uhr in Bersenbrück. Sie wurden wohlwollend aufgenommen, und scheinbar einvernehmlich wurden die Themen Klosterdisziplin und Wirtschaftsführung aus ihrer Unterhaltung ausgenommen.


 
Ernste Lage
 

Kommissionär Dr. Dorfmüller bat den Beichtvater zu einem privaten Gespräch in den Garten. Er forderte ihn auf, die Äbtissin zu überreden, freiwillig und ohne Widerstreben die Wirtschaftsbücher des Klosters auszuhändigen. Pater von Hatzfeld erwiderte, dass ihm das schwerlich gelingen werde. Daraufhin entgegnete Dr. Dorfmüller: Falls die Äbtissin sich nicht dazu bewegen lasse, werde er einen Spezialbefehl des Landesherrn in Anwendung bringen. Er händigt ihm das Dokument aus und Pater von Hatzfeld wurde sofort klar, dass er alles tun musste, um seine Ausführung abzuwenden.

Der Spezialbefehl, der dem Beichtvater vorgelegt wurde, beinhaltete, dass bei Widerstand Gewalt eingesetzt werden würde. Kommissionär Dr. Dorfmüller fügte dem Gespräch mit dem Beichtvater hinzu, dass der Vogt von Ankum mit 50 kräftigen Männern in der Nachbarschaft zur Verfügung stehe. Und für den Fall, dass die Äbtissin dem Befehl des Landesherrn nicht Folge leiste, würden sie auf den ersten Wink hin die Riegel von den Türen aufbrechen, hinter denen die Bücher und Register verwahrt würden. Pater von Hatzfeld forschte nach, ob die Ausführungen Dr. Dorfmüllers tatsächlich der Wahrheit entsprachen. Er fand jene 50 Mann im Schulhaus beim Kloster wartend auf weitere Befehle.


 
Der Ankumer Vogt und seine Männer
 

Als Pater von Hatzfeld der Äbtissin die Situation schilderte, beharrte sie zunächst auf ihrer Position. Doch schließlich machte der Beichtvater ihr klar, dass sie eine raue und schimpfliche Behandlung würde ertragen müssen von den Bauern des Klosters, die im Schulhofe bereitstünden. Er mahnte sie, daran zu denken, dass sie als Grundherrin diese Bauern oft durch Eintreibungen und sonstiges Einschreiten belästigt und gequält habe. Sie würden bei dieser Gelegenheit sicherlich Rache dafür nehmen, alles durchstöbern und in Unordnung bringen. Pater von Hatzfeld riet ihr, den Forderungen der Kommission nachzugeben und den Rechtsweg einzuschlagen. Die Herausgabe der Bücher würde mit Gewalt erpresst sein, und so stände ihr offen, gegen diese widerrechtliche Überprüfung zu klagen.

Unter feierlichem Protest und dem Vorbehalt des Rechtseinspruchs wurden die geforderten Unterlagen übergeben. Der Vorgang wurde protokolliert.

Die Kommission verabschiedete sich mit den Worten: "Der Konvent könne ganz ruhig und sicher sein, sie hätten alles in bestem Zustand und bester Ordnung gefunden und würden darüber dem höchsten Auftraggeber sehr genauen Bericht erstatten."

Beim Hinausgehen wurde der Klosterverwalter aufgefordert, sich am nächsten Morgen auf der Kommende Lage einzufinden, um bei der Überprüfung der Bücher zugegen zu sein. Als der Verwalter am Abend des übernächsten Tages zurückkehrte, berichtete er, dass er einen Eid haben schwören müssen, über alle Verbindlichkeiten und Guthaben Auskunft gegeben zu haben


 
Rechtsberatung in Quakenbrück
 

Zwei Befehle wurden Amtmann Beckering für die Äbtissin mitgegeben. Ihr wurde unter Strafandrohung verboten, Klostergut zu erwerben oder zu veräußern und Novizinnen aufzunehmen. Nun bestand kein Zweifel mehr, dass eine Klosterschließung drohte. Umgehend suchte der Beichtvater die Unterstützung seines Abtes in Marienfelde, der versprach, alle Hebel in Bewegung zu setzen. Der Abt eilte zum Kölner Erzbischof. Doch sein Gespräch mit ihm verlief unbefriedigend. Dieser habe, so schrieb er enttäuscht an Hatzfeld, in der üblichen höflichen Redeweise geantwortet: Er könne ganz beruhigt sein ... Die Überprüfung Bersenbrücks sei ihm aufgrund des Schuldenstandes auch selbst vorgeschriebenen gewesen ... Ihm sei bisher noch nichts Nachteiliges von Seiten des obersten Herrn widerfahren; warum habe er in dieser Sache Furcht?

Beichtvater von Hatzfeld riet der Äbtissin, wenigstens drei Rechtsgelehrte zu beauftragen, die Sache genauer zu untersuchen. Sie sollten ein Gutachten abgeben, wie man handeln und vorgehen müsse, um eine Aufhebung abzuwenden. Insbesondere ihr Quakenbrücker Advokat Dr. Koch drängt, eine Eingabe an das Reichskammergericht in Wetzlar zu machen und gegen dieses Vorgehen - und insbesondere gegen die Verbote - zu klagen. Diesen Schritt hatten die Osnabrücker jedoch vorhergesehen. Das Kloster Überwasser in Münster hatte durch eine Klage seine Schließung lange hinauszögern können. Nun waren frühzeitig Vorkehrungen getroffen worden. "Lobbyarbeit" nennen wir das heute. Osnabrück behauptete, Bersenbrück sei dramatisch verschuldet. Die Äbtissin habe in der Vergangenheit übel gewirtschaftet. Der Konvent sei zerstritten und es herrsche ein schrankenloser Lebenswandel. Daher habe man der Äbtissin ihre Rechte beschneiden müssen.

Dass dies eine gänzlich überzogene und klischeehafte Darstellung der Bersenbrücker Verhältnisse war, um die wahren Motive zu verschleiern, wurde in Wetzlar sofort erkannt. Der zuständige Sachbearbeiter empfahl, die Äbtissin wieder als Herrin des Klosters mit allen Rechten einzusetzen.

Doch zu einem Urteilsspruch kam es in Wetzlar nicht mehr. Im Februar des Jahres 1787 wurde dem Gericht von Osnabrücker Seite mitgeteilt, dass sowohl die kaiserliche wie auch die päpstliche Zustimmung zur Aufhebung des Bersenbrücker Klosters vorlägen. Das Gericht prüfte die Unterlagen und erklärte, aufgrund dieser neuen Sachlage nicht mehr zuständig zu sein. Der Aufhebung hätte Bersenbrück nur im Vorhinein entgegenwirken können. Der Konvent hätte sich frühzeitig an den kaiserlichen Hof oder auch an den Papst wenden müssen, um sein Schicksal abwenden zu können.


 
Bersenbrücker Zeitenwende
 

Papst Pius VI. hatte der Auflösung des Klosters am 17. November 1786 offiziell zugestimmt. Die kaiserliche Zustimmung wurde am 10. Januar 1787 in Wien erteilt. Sie erreichte Osnabrück Mitte Februar. So reisten die Kommissionäre am 22. Februar erneut nach Bersenbrück, verlasen die kaiserliche Urkunde und verkündeten die Aufhebung des Klosters. Der Pfarrer der St. Vincentius-Gemeinde trug in das Sterberegister ein: "Im Jahre 1787 ist das adlige Zisterzienserinnenkloster erloschen. Das geschah unter der ehrwürdigen Äbtissin Maria Dorothea von Bothmer aus dem Hause Schwegerhoff ... sowie zur Amtszeit des Konfessarius P. Franz von Hatzfeld, Professe des Klosters Marienfeld, während ich, Peter Arnold Joseph Docen, Mönch aus Marienfeld, Pastor war." Er fügte die Namen der anwesenden Klosterfrauen hinzu.

An diesem Tag endete die Geschichte des Klosters. Für Bersenbrück begann eine neue Zeit. Mit der Aufhebung des Klosters entfiel der Zwang zur klösterlichen Abgeschiedenheit. Im Sommer des folgenden Jahres wurde das erste Haus Bersenbrücks direkt gegenüber der Klosterpforte errichtet.


 
NACHWORT

Die Auflösung des Klosters war seit Frühjahr 1786 eine beschlossene Sache gewesen. Der Erzbischof von Köln hatte sie uneingeschränkt befürwortet. Das Domkapitel, in großer Mehrheit katholischer Konfession, hatte keine Einwände vorgebracht. Am 27. Mai waren die Verantwortlichen zusammengekommen, um den Plan, der die Schließung des Klosters bedeutete, zu diskutieren und anzunehmen. Um seine Umsetzung nicht zu gefährden, wurde Geheimhaltung vereinbart. So waren die Äbtissin von Bothmer und Beichtvater von Hatzfeld von ihren eigenen Leuten hartnäckig belogen und hinters Licht geführt worden. Der Bersenbrücker Konvent fühlte sich von seiner Kirche im Stich gelassen.

Die in dieser Erzählung dargestellte Perspektive auf das Geschehen ist die des Konvents. Es ist eine unvollständige Sicht auf das historische Geschehen, denn sie berücksichtigt nicht die Gründe der Klosterschließung und seine Einbettung in die mit ihm zusammenhängenden Ereignisse.

Die Einkünfte dieses reichsten Klosters der Region waren bisher allein dazu aufgewendet worden, den zehn Klosterfrauen ein ihrem Adelsstand angemessenes, angenehmes Leben zu ermöglichen. Ihre Dienerschaft war zahlreich. Jetzt sollte die Wirtschaftskraft des klösterlichen Grundbesitzes den Aufbau von Pfarrgemeinden ermöglichen und das katholische Bildungswesen auf eine bessere finanzielle Grundlage stellen. Der Papst hatte seine Zustimmung gegeben, weil er überzeugt war, dass es der katholischen Religion am besten dienen würde, die Güter des Klosters dazu zu verwenden, die Schulbildung in katholischen Gemeinden zu verbessern.

Die Verantwortlichen sahen eine gute und sichere Versorgung der Klosterfrauen vor. Sie stellten es den Frauen frei, sich der Gemeinschaft eines anderen Klosters der Region anzuschließen.


 

Mehr Informationen über diese Ausstellung, den Künstler Paul Wessler und weiteren Veranstaltungen erhalten sie auf unsererInternetseite zur Ausstellung in Bersenbrüsck.

Kontakt

Veranstalter

Förderverein Museum des Landkreises Osnabrück in Bersenbrück e. V.
Vorsitzender: Dr. Wilfried Markus, Bersenbrück

Projektleitung

Dr. Jutta Stalfort, Bersenbrück
   0 54 39/90 23 26
   kontakt@jutta-stalfort.de