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Fries von Julia Steinberg
gesprochen von Manfred Ody

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Teil I
 

Lange dauerte er, dieser unvorstellbar grausame Krieg, furchtbar lange. Eine ganze Generation wuchs heran, ohne dass sie etwas anderes gekannt hätte als den Krieg mit seinem gnadenlosen Recht des Stärkeren. Herumziehende Soldaten hatten Dörfer vernichtet und mordlüstern Wohnstätten niedergebrannt. Sie hatten sich genommen, was immer ihnen gefiel. Niemand war verschont worden, Bauern und ihr Gesinde nicht, Stadtbewohner nicht und Händler nicht, Adlige und Könige waren entmachtet und entthront worden.

Begonnen worden war der Krieg mit der Frage nach dem richtigen Glauben, aber schnell hatten sich andere Interessen daruntergemischt. Nach einiger Zeit ging es vor allem um Macht, Geld und Landgewinn.

Erst als die Generation, die den Krieg begonnen hatte, alt geworden war, wuchs mit ihren Söhnen die Einsicht, dass dieser Krieg nur mit klugen Verhandlungen zu gewinnen war. Zwei Jahre dauerten die Gespräche der Unterhändler des Friedens in Münster und Osnabrück. Es war ungeheuer schwierig, die Forderungen der Kriegsparteien auszugleichen. 1648, nach dreißig Jahren Krieg, konnte endlich Frieden verkündet werden.

Ein zentrales Ergebnis dieser Verhandlungen war, dass kein Landesherr mehr über die Religion seiner Untertanen bestimmen durfte. Jeder sollte selbst entscheiden dürfen, welcher Konfession er angehören wollte.

Aber das bedeutete nicht, dass die Untertanen in religiösen Dingen völlig frei waren. Die Friedensunterhändler hatten vereinbart, "die gute alte Zeit" wiederherzustellen. Das Jahr 1624 sollte das entscheidende Jahr sein. War der Pfarrer der Gemeinde damals katholisch gewesen, sollte die Gemeinde wieder katholisch werden. War sie evangelisch gewesen, dann sollte sie protestantisch sein. Die Pfarrgemeinden im Fürstbistum Osnabrück wurden aufgeteilt: 28 wurden katholisch, 17 protestantisch. In 8 von 53 Gemeinden sollte es beide Glaubensgemeinschaften geben, ein sogenanntes Simultaneum.

Schledehausen wurde als katholisch bestimmt, denn im Jahr 1625 hatte eine bischöfliche Überprüfung stattgefunden. Der Prüfer hatte in seinem Bericht vermerkt:

"Ich habe bisher in dieser Diözese nirgendwo mehr und ausgeprägtere Spuren der katholischen Religion und eine besser geordnete Kirche gesehen."

Pfarrer in Schledehausen war zu diesem Zeitpunkt seit mindestens 9 Jahren der katholisch geweihte Eberhard Geysecker, von dem nachzulesen ist:

"Er lebt im Konkubinat und hat 3 noch lebende Kinder, mit dem vierten ging die Köchin schwanger."

Aber abgesehen vom Problem des Zölibats schien Pfarrer Geysecker alle katholischen Vorschriften und Rituale aufs Beste einzuhalten. Er erklärte sich sogar bereit, die Köchin zu entlassen.


 
Teil II
 

Schledehausen sollte ein katholisches Dorf sein, so lautete die Friedensvereinbarung. Das war eine denkbar unglückliche Entscheidung! Denn inzwischen bekannten sich von den etwa 2000 Einwohnern Schledehausens nur noch 17 zum katholischen Glauben.

Wie konnte das sein? 1625 war das Dorf doch noch vorbildlich katholisch gewesen!

1634 hatten die Schweden das Fürstbistum Osnabrück erobert. Die Schweden kämpften für den Protestantismus. Alle katholischen Pfarrer wurden aus ihren Ämtern gejagt. Das Pfarramt in Schledehausen wurde auf den Lutheraner Johannes Sundermann übertragen. Die Bevölkerung nahm diesen Glaubenswechsel hin. Was sollte sie auch sonst tun?

Was bedeutete es, nach dem Friedensschluss ein Protestant in einem katholischen Dorf zu sein? Es war eine erhebliche Belastung, denn Glaubensfreiheit gab es nur im Privaten. Um an einem protestantischen Gottesdienst teilzunehmen, mussten lange Wege in die Nachbargemeinde zurückgelegt werden. Und für die Kinder bedeutete es einen langen, im Winter gefährlichen Schulweg. Zwar durften die Kinder auch zu Hause unterrichtet werden, und es durfte ein protestantischer Geistlicher gebeten werden, Taufen und Hochzeiten - innerhalb des Hauses - vorzunehmen. Doch das war nicht nur aufwändig, es war auch teuer. Ganz gleich, wer den christlichen Dienst ausführte, der katholische Pfarrer hatte immer ein Anrecht auf die Gebühr. Es war ein Teil seines Lebensunterhalts, eine Art Ortssteuer. Versah ein auswärtiger Pastor den Dienst, musste man ihn natürlich bezahlen - wer arbeitete schon umsonst? - und zudem die örtliche Steuer entrichten.

Als im Dorf bekannt wurde, dass Schledehausen ab 1650 ein katholisches Dorf sein würde, hielten die Einwohner diese Nachricht zunächst für einen Irrtum, der bald behoben sein würde. Zwischenzeitlich wollten sie sich mit dem behelfen, was möglich war: Der Herr der nahen Schelenburg war den protestantischen Einwohnern wohlgesonnen. Er nahm den aus seinem Amt entlassenen evangelischen Pastor als Gast auf, und dieser versorgte seine Gemeinde von dort aus in gewohnter Weise weiter.

Doch in Osnabrück war nach dem Krieg ein sehr streng katholischer Bischof Landesherr geworden. Als er davon hörte, drohte er dem Herrn von Schele mit einer hohen Geldstrafe. Dem Schlossherrn blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Der Pastor musste die Schelenburg verlassen.

Den protestantischen Schledehausenern, die nun die ganze Härte des für sie unverständlichen Friedensschlusses spürten, blieb jedoch eine Hoffnung. Nach dem Ableben des Bischofs würde der nächste Landesherr ein Protestant sein. So war es abgemacht: die Landesherrschaft im Fürstbistum sollte stetig wechseln zwischen katholisch und protestantisch. Ein protestantischer Landesherr, da waren die Schledehausener sicher, würde Erleichterung in ihren Alltag bringen.

Und sie hatten Recht!


 
Teil III
 

Als 1662 der evangelische Bischof Ernst August I. ins Amt kam, konnte wieder jeder, der wollte, den Gottesdienst auf der Schelenburg besuchen. Die Hauskapelle wurde erweitert. Sogar die Existenz einer kleinen privaten protestantischen Schule im Ort ist belegt. Im Archiv gibt es einen Bericht über den Lehrer dieser Schule:

"Dass Johann Christoff Bensing die sonst rüde Jugend des Kirchspiels Schledehausen im Beten, Katechismus, Singen, Lesen und Schreiben nach seinem Talent und mit einer guten Methode anweise und an Mühe und Fleiß nichts ermangeln lasse, <...> wird <...> attestiert."

Nach 36 Jahren wechselte die Regentschaft zurück zur katholischen Seite. Der neue Fürstbischof Karl von Lothringen zeigte keinerlei Verständnis für die protestantischen Vergünstigungen in Schledehausen. Sofort wurde die evangelische Schule geschlossen, der Lehrer Racer ins Iburger Gefängnis geschafft und das Schulgebäude für 80 Taler verkauft. Als 1701 noch immer einige Einwohner Schledehausens den Gottesdienst auf der Schelenburg besuchten, wurden sie unter Strafe gesetzt und mussten 330 Taler an die Bischofskirche zahlen. Notfalls wurde die Strafe von den sturen Kirchgängern mit bewaffneten Männern eingezogen. Konnte eine Familie nicht zahlen, weil sie kein Geld besaß, wurden Pferde, Kühe, Kessel und andere Dinge von den Höfen genommen. Es heißt, ganze Wagen voll Pfänder seien weggefahren worden.

Vielleicht hatten die Friedensunterhändler im 17. Jahrhundert gedacht, die abwechselnde Landesherrschaft würde dafür sorgen, dass keine Glaubensrichtung unterdrückt würde. Tatsächlich bewirkte diese Regelung, dass beide Konfessionen im Fürstbistum ungefähr gleich groß blieben. Aber sie verursachte zudem etwas anderes: Die Konfessionen wurden miteinander bitter. Jeder Landesherr sah darauf, das Leben seiner Glaubensgenossen zu erleichtern - auch wenn dies auf Kosten der Andersgläubigen ging. Bei einem Herrschaftswechsel drehte sich das Blatt. Jene, die zuvor benachteiligt waren, atmeten mittlerweile nicht mehr nur auf. Sie sannen zudem darauf, sich für die vorausgegangene Gängelei zu rächen.

Als ab 1716 wieder ein evangelischer Regent ins Amt kam, nahmen die Protestanten den sonntäglichen Gottesdienstbesuch auf der Schelenburg wieder auf. Ihre Kinder schickten sie auf eine neu eingerichtete Schule. Aber auch eine Härte gegen die Andersgläubigen brach sich Bahn: Die protestantischen Einwohner führten an hohen katholischen Feiertagen nun demonstrativ grobe Arbeiten aus. Sie kürzten dem Pfarrer und dem Lehrer die Holzzuweisungen und lästerten gegen den Papst.

Als nur 12 Jahre später erneut ein katholischer Landesherr das Fürstbistum regierte, trieb er die Strafen bei Vergehen neuen Höhen zu. Im Januar 1752 warnte der Bischof die Schledehausener Protestanten eindringlich:

"Wer künftig noch Schule hält oder Kinder hinschickt, soll zuerst und auf eigene Kosten mit Kerkerstrafe belegt und im Gefängnis auf 8 Tage mit Wasser und Brot gespeiset werden; endlich soll er aber bei wiederholter Zuwiderhandlung darin auf gleiche Weise solange gezüchtigt werden, bis er dem Befehl Folge leistet."

Tatsächlich wurden zwei Lehrer verhaftet und ins Iburger Gefängnis gesteckt.


 
Teil IV
 

Im Januar 1764 erreichte Schledehausen die Nachricht, dass der protestantische Prinz Friedrich von York der nächste Regent des Fürstbistums sein würde. Die evangelischen Einwohner waren euphorisch: Mit ihm würde endlich eine neue Zeit für sie anbrechen.

Und tatsächlich: Innerhalb seiner Regentschaft wurde das Miteinander in Schledehausen auf eine neue Grundlage gesetzt. Den größten Anteil daran trug jedoch nicht der Landesherr, sondern Justus Möser. Er war 1774 beauftragt worden, alle konfessionellen Konflikte im Fürstbistum neu zu verhandeln.

Justus Möser hatte die Idee, der Bitterkeit den Nährboden zu entziehen. Die Benachteiligung einer Glaubensgemeinschaft, so war er überzeugt, führe dazu, dass sie umso fester zusammenhalte und sich gegen Andersgläubige abschotte. Wenn nun den Protestanten in Schledehausen die volle Religionsfreiheit gegeben würde, wenn sie öffentlich Gottesdienst halten und Schulen errichten dürften, würde das zum Besten aller sein. Freiheit würde dazu führen, dass die Einwohner das Wohlergehen des ganzen Dorfes im Blick haben würden.

Aber auf welche Weise ließ sich dieses Mehr an Freiheit für die protestantischen Einwohner erreichen? Sechs Jahre arbeitete Justus Möser an einer Lösung. Dabei sah er nicht nur die Probleme Schledehausens, sondern betrachtete auch die Schwierigkeiten in anderen Orten des Fürstbistums, beispielsweise in Fürstenau. Diese kleine Stadt mit ca. 800 Einwohnern war im Westfälischen Frieden als protestantischer Ort bestimmt worden, aber wie in Schledehausen gab es eine beträchtliche Zahl Andersgläubiger. Auch hier hatte sich aus einem anfänglich friedlichen Miteinander über die Zeit ein scharfes Gegeneinander entwickelt.

Die Lösung war, für beide Orte zugleich zu planen. Wer könnte etwas einwenden, wenn beide Konfessionen eine Gemeinde hinzugewinnen würden? Doch es gab Übelgesinnte, wie Justus Möser sie nannte. Sie brachten die Verhandlungen ins Stocken.


 
Teil V
 

Am 2. Juni 1781 brach im Hause einer armen Witwe am Ortsrand Schledehausens ein Feuer aus, das mindestens 60 Häuser in Schutt und Asche legte. 71 Familien wurden obdachlos. Auch die St. Laurentius-Kirche wurde durch das Feuer schwer beschädigt. Der Dachstuhl war verbrannt, die Glocken geschmolzen. Die evangelische Einwohnerschaft weigerte sich entschieden, die hohen Kosten für den Wiederaufbau der Kirche aufzubringen. Sie bot an, den 47 Katholiken eine neue aber kleinere Kirche zu bauen. Doch der Erzbischof von Köln wollte die prächtige Kirche erhalten wissen und versprach, als Gegenleistung für den Wiederaufbau die Verhandlungen wieder aufzunehmen.

Dieses Mal wurden Justus Mösers Bemühungen von Erfolg gekrönt. Der Vertrag, der drei Jahre darauf im Dezember 1786 geschlossen wurde, sah Folgendes vor: In Schledehausen und Fürstenau würde es Simultaneen geben, das heißt, in beiden Orten würden die Konfessionen gleichberechtigt sein. In Schledehausen sollten sich zukünftig katholische und protestantische Christen die Kirche teilen. In Fürstenau dürften die Katholischen sich eine eigene Kirche innerhalb der Stadtmauern bauen. Da die katholische Gemeinde in Schledehausen nun keine Einnahmen mehr von protestantischer Seite zu erwarten hatte, vereinbarte man, das katholische Kloster in Bersenbrück aufzuheben, um mit dessen Einkünften den Pfarrer, den Schulmeister und den Küster in Schledehausen zu finanzieren.

Für Schledehausen war der Tag, an dem der Vertrag unterzeichnet wurde, ein Tag des Jubels. Die protestantische Bevölkerung war glücklich: Endlich frei!

Am 22. Mai 1803 wurde nach über 150 Jahren erstmals wieder ein protestantischer Gottesdienst in der St. Laurentius-Kirche gefeiert. In einem Augenzeugenbericht ist zu lesen:

"An dem genannten Tage <...> fand zunächst auf der Schelenburg, wo die Evangelischen so viele Jahre eine Zufluchtsstätte gefunden hatten, eine kurze eindrucksvolle Abschiedsfeier <...> statt. Zahlreiche Teilnehmer hatten sich zum Teil aus stundenweiter Entfernung eingefunden. <...> Dann ging es in festlichem Zuge <...> nach Schledehausen. Unterwegs holten die Katholiken ihn mit ihren Kirchenfahnen ein und traten an die Spitze. Unvergessliche Augenblicke waren es für die Festteilnehmer, als sie die Pforten des Gotteshauses durchschritten und der Jubel des Kirchspiels einen erhebenden Ausdruck fand in dem Eingangsliede: "Bringt her dem Höchsten Preis und Ehr."


 

Mehr Informationen über diese Ausstellung, die Künstlerin Julia Steinberg und weiteren Veranstaltungen erhalten sie auf unsererInternetseite zur Ausstellung in Schledehausen.

Kontakt

Veranstalter

Förderverein Museum des Landkreises Osnabrück in Bersenbrück e. V.
Vorsitzender: Dr. Wilfried Markus, Bersenbrück

Projektleitung

Dr. Jutta Stalfort, Bersenbrück
   0 54 39/90 23 26
   kontakt@jutta-stalfort.de